KW-Funk an Bord
In der kommerziellen Schifffahrt wurde die Kurzwelle schon vor vielen Jahren vom Satellitenfunk abgelöst und spielt keine ernsthafte Rolle mehr. Anders ist das bei Yachten auf Langfahrt. Gegenüber dem Satellitenbetrieb über Inmarsat ist der technische Aufwand überschaubar und es fallen keine bzw. nur geringe laufende Kosten an.
Yachties nutzen ihr Kurzwellenfunkgerät (Transceiver, TRX) fast ausschließlich um Emails über PACTOR zu versenden oder in Chatrunden mit anderen Yachten untereinander Informationen auszutauschen. Ins öffentliche Netz telefonieren kann man damit nicht. Wer darauf auch auf See nicht verzichten möchte, hat zusätzlich noch ein Satellitenhandy.
Auch wenn der Emailverkehr über PACTOR bei weitem nicht die an Land gewohnten Datenraten erreicht, möchte man ihn auf See nicht vermissen. Darüber bekommt man nicht nur private Mails sondern auch Wetterberichte und andere Informationen. Dieser Mailverkehr ist m.E. der Hauptgrund warum nur wenige Segler bei Langfahrt auf KW-Funk verzichten. Der ebenfalls sehr eingeschränkte Datenverkehr über Satellitenhandys kann ihn nicht ersetzen.
Beim KW-Funk muss nach See- und Amateurfunk unterschieden werden. Beide Usergruppen sind etwa gleich groß. Durch viele Kontakte kenne ich ganze Anzahl aus beiden Lagern. Hauptargument der Seefunker ist, sich nicht dem Stress der bei Amateurfunk notwenigen Lizenzprüfung aussetzen zu müssen, da in dieser neben sonstigem funktechnischem Know-How einiges an technischem Elektronikwissen abgefragt wird. Dies wiederum ist Hauptgrund der AFU-Befürworter. Erfolgreicher KW-Funk ist nämlich keinesfalls so einfach wie telefonieren. Das muss man lernen wie Segeln auch und außerdem, wer hilft einem, wenn unterwegs, weit entfernt von der nächsten Servicestelle, mal was ausfällt. Da kann man ein paar elektrotechnische Grundkenntnisse an Bord gut brauchen, nicht nur für den Funk.
Ganz ohne „Scheine“ geht es auch beim Seefunk nicht. Man braucht ein zugelassenes Funkgerät und zum Betrieb ein international gültiges Long Range Certificate (LRC). Wenn man nicht schon lange eines hat, ist das mit dem Funkgerät schwierig. Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland keine für Seefunk zugelassen Kurzwellengeräte mehr. Als Folge davon werden in der Praxis Geräte ohne Zulassung benutzt. Erwischen lassen darf man sich damit freilich nicht. Die Erfahrung zeigt aber, dass das mit zunehmender Entfernung von Deutschland nicht mehr so eng gesehen wird. Zugelassene KW-Seefunkgeräte auf Yachten sind von daher etwa so selten wie Motorkegel im Mittelmeer oder Helme bei griechischen Mopedfahrern.
Seefunkgeräte (ohne Zulassung!) werden von ein paar wenigen Firmen in Deutschland angeboten. Die sind darauf spezialisiert ihr in der Regel funktechnisch meist eher unbedarftes Klientel zu beraten und den kompletten Service bis zum Einbau an Bord anzubieten. Das hat freilich seinen Preis. Leute, die sich ein kleines bisschen selbst auskennen, ziehen es daher oft vor, auch auf Seefunkfrequenzen Amateurfunkgeräte einzusetzen. Dafür ist eine kleine Modifikation notwendig, die der AFU-Händler, wenn man ihn beim Kauf danach fragt, oft sogar ohne Aufpreis macht. Ansonsten hilft ein netter Amateurfunker in der Nachbarschaft sicher weiter. Als Lohn der Mühe hat man zu einem Bruchteil dessen, was man für ein ebenfalls nicht zugelassenes Seefunkgerät ausgeben müsste, eines, das sich im Yachtalltag (DSC braucht man normalerweise nicht) ohne Einschränkungen verwenden lässt.
Natürlich könnte man ein solches Gerät auch weiter auf AFU-Frequenzen nutzen. Ohne Amateurfunklizenz darf man das aber nicht. Dazu ist ein mit der Lizenz vergebenes und an die Person gebundenes Rufzeichen notwendig. Wenn man das nicht hat und sich auch sonst nicht wie ein OM (so bezeichnen sich Funkamateure untereinander) verhält, fällt man auf den Amateurbändern auf wie der sprichwörtliche „bunte Hund“- also keine gute Idee.
Email über PACTOR wird sowohl beim See- (Sailmail) als auch beim Amateurfunk (Winlink) angeboten. Da Amateurfunk grundsätzlich auf Gegenseitigkeit arbeitet ist es da sogar kostenlos. Wetterberatung für Segler gibt es auch in beiden Lagern. Von Deutschland aus betreut z.B. Intermar auf 14,313 MHz zweimal täglich die segelnden Funkamateure. Chatrunden auf Seefunkfrequenzen, die ähnliches anbieten gibt es, wenn man Europa erst einmal verlassen hat, ebenfalls reichlich. Für Amateurfunk sprechen m.E. deshalb vor allem die Kenntnisse, die man bei der Vorbereitung auf die Prüfung erwirbt. Weit entfernt vom nächsten Mechaniker sind die selbst durch viel Geld nicht zu ersetzen. Auch die Geräte entgehen dem Schicksal vieler teurer Seefunkgeräte, die ungenutzt an Bord rumstehen, weil ihre Besitzer nicht damit umgehen können.
Ich selbst, komme von der Amateurfunkseite. Anders als viele Segler, die extra für ein Langfahrtvorhaben die Lizenz erwerben, habe ich sie schon sehr lange. Erste Kontakte bekam ich bereits als 14-jähriger Schüler in den 60gern des vorigen Jahrhunderts. Die Technik faszinierte mich so sehr, dass sich daraus auch der Berufswunsch entwickelte und ich in der Folge Nachrichtentechnik studierte. Wenn man sich als Ingenieur den ganzen Tag mit solcher Technik beschäftigen darf, braucht man das nach Feierabend nicht unbedingt auch noch. Das Interesse schlief weitestgehend ein und wurde erst wieder geweckt als ich mein eigenes Boot anschaffte. Langfahrtsegeln und Amateurfunk ist eine sehr nützliche Verbindung.
Das Funkgerät ist in einem Schapp eingebaut und bei Nichtgebrauch unsichtbar. |
Auch die "Erde" stört unter einer Koje überhaupt nicht. |
Technik
Die notwendige Technik habe ich bei merger&friends (KW-Funk auf Yachten) ausführlich dargestellt. Darüber hinaus bin ich seit einigen Jahren auch beim gemeinsam von Trans-Ocean und Intermar jeweils an einem Märzwochenende veranstalteten Kommunikationsseminar engagiert. Als Referent wird das Thema „Kurzwellentransceiver und -antennen“ ausführlich von mir behandelt. Ich kann mich hier also auf die Vorstellung meiner eigenen Ausrüstung beschränken. Das ist schnell gemacht.
Funkgeräte haben eine wesentlich höhere Halbwertzeit als Handys oder PCs. Wer ein gebrauchtes erwirbt, macht damit kaum einen Fehler. Meines ist ein über 20 Jahre alter FT-890 von YAESU. Warum ich mich für dieses Gerät an Bord entschieden habe? Ganz einfach: Weil es vorher schon da war! Im Grunde ist es egal welches man benutzt, die technischen Anforderungen erfüllt fast jeder SSB-Transceiver. In erster Linie sollte einem die Bedienoberfläche sympathisch sein und außerdem muss es natürlich an den vorgesehen Einbauort passen. Meines ist in ein Schapp eingebaut, das ich nur öffne, wenn ich das Gerät brauche. M.E. eine hervorragende Idee meiner Frau, die nicht wollte, dass es bei uns an Bord zu technisch aussieht. In der Praxis schreiben wir am Laptop unsere Mails und wenn sie dann verschickt werden sollen, öffne ich das Schapp, schließe das USB-Kabel des PACTOR-Controllers an den PC an und schon geht es los. Nach wenigen Minuten sind die gehenden Mails weg, die ankommenden da und es kann alles wieder in ruck zuck verschwinden.
Für eine gute Antenne ist es vor allem wichtig, dass diese möglichst wenig vom Metall des Riggs beeinflusst wird. Auf Slups wie meiner MERGER ist das häufig das Achterstag, was mir sehr entgegen kommt. Die beiden Isolatoren waren nicht ganz billig, fallen aber kaum auf. Ein oberflächlicher Betrachter muss ja nicht gleich sehen, dass wir KW an Bord haben. Auch die notwendige Erde ist unauffällig durch eine Aluminumfolie realisiert, die auf den Schiffsboden geklebt durch den Rumpf direkt an das umgebende Wasser koppelt. Die Resultate mit dieser einfachen Ausrüstung können sich sehen lassen. Mit nur 20 W Sendeleistung finde ich immer eine Winlink-Station und zu meinen Freunden von Intermar reicht es auch immer.
Braucht man das Ganze wirklich?
Das ist eine gute Frage, die mir immer wieder gestellt wird. Auf Langfahrt unbedingt, meine ich. Wie soll man sonst mitten auf dem Atlantik an Wetterberichte kommen und Kontakt zur Familie halten? In unserem gegenwärtigen Revier dem Mittelmeer kann man das anders sehen. Wir sind nie länger als 3 Tage auf See und so lange geht es auch schon mal ohne Kontakt zur Heimat. Es ist aber ganz angenehm, wenn man an die Familie zu Hause regelmäßig berichten kann wie man vorankommt, und auch in einsamen Buchten ohne Internet über WiFi nicht von der Welt abgeschnitten ist. Ob ich extra dafür die AFU-Lizenz machen würde sei dahin gestellt. Das in meinen Augen Wichtigste bei der Lizenz sind sowieso die dabei erworbenen Grundkenntnisse in Elektrotechnik. Bei mir war beides schon vor dem Boot da. Insofern fällt es mir schwer, dazu eine objektive Meinung zu haben.
Nachträglicher Hinweis
Über die Unterschiede zwischen See- und Amateurfunk in der Praxis hat Trans-Ocean im Jan. 2016 einen Artikel von mir veröffentlicht.