Allein in den Mast
Ich lege sehr viel Wert darauf von externer Hilfe möglichst unabhängig zu sein. Unabhängigkeit bedeutet Freiheit und mein Boot ist so ausgerüstet, dass ich jederzeit auch allein damit klarkomme. Kostenersparnis ist eher ein willkommener Nebeneffekt. In erster Linie dienen meine vielfältigen Basteleien dazu das Boot kennen zu lernen um mir im Fall des Falles möglichst selbst helfen zu können. Mit dieser Einstellung liegt es nahe sich auch Gedanken darüber zu machen, wie man völlig auf sich allein gestellt auch eine Reparatur im Mast vornehmen könnte.
Ich bin ein eher unsportlicher älterer Mann und mein Boot ist relativ klein. Maststufen scheiden deshalb wegen der Größe des Bootes aus und auch direktes Aufentern, wie man es bei sportlichen jungen Leuten immer wieder bewundern kann, ist völlig indiskutabel. Meine Recherche im Internet über weitere Systeme machte ich auf das System Topclimber aufmerksam. Das Aufentern an einem Seil wird als relativ einfach und so nebenbei mal eben machbar beschrieben. Ich hatte da so meine Zweifel ob die Realität mit den Versprechungen der Werbung wirklich übereinstimmen würde. Durch Zufall sah ich dann einen Bericht im Fernsehen in dem es um das Ernten von Baumsamen ging. Die Leute kletterten mit ähnlichen Systemen ganz locker an einem schwankenden Seil entlang. Andererseits waren das Profis, die so etwas jeden Tag machten und wenn man sich die Bilder mal genauer ansah, hatten sie auch wesentlich mehr Ähnlichkeit mit einem Zirkusartisten als mit mir.
Immerhin brachte mich der Bericht dazu, mich auch mal über die in der Bergsteigerei verwendeten Gerätschaften zu informieren und ein Gespräch mit dem Betreiber der Kletterhalle im Nachbarort zu führen. Letztlich bin ich von Topclimber wieder abgekommen um mir ein auf mich persönlich abgestimmtes System zusammenzustellen.
Mit Hilfe der beschriebenen Steigvorrich- tung in den Mast. |
Ein massives Brett als Fußstütze hilft dabei (siehe dazu auch der Nachtrag ). |
Ein solider Bootsmannsstuhl war schon vorhanden und so lag es nahe auf dem aufzubauen. Seilklemmen, wie sie bei Topclimber verwendet werden, gibt es problemlos und in m. E. besserer Qualität von der Firma Petzl. Jedes bessere Geschäft für Outdooraktivitäten führt so etwas und die einfachste Ausführung ohne Handgriffe etc. erschien mir bereits ausreichend. Ein Versuch im heimischen Garten im durch eine Seilklemme an einem vom Balkon hängenden Seil befestigten Bootsmannsstuhl zu sitzen begründete ein prinzipielles Vertrauen in die Technik und war Basis um mein System darauf aufzubauen. In mehreren Schritten habe ich es realisiert und empirisch für meine Bedürfnisse verbessert. Gegenüber dem Topclimber gibt danach gravierende Unterschiede. Lediglich Schlingen für die Füße zu benutzen bewährte sich bei mir genauso wenig, wie der Versuch mit diesem System an einem frei hängenden Seil entlang zu klettern. Das sollen Leute machen, die das können. Für mich ist das nicht mehr. Ich habe mich dafür entschieden für die Füße ein spezielles Brett zu bauen auf dem ich solide stehen kann und außerdem durch ein Loch in diesem Brett das über eine Winsch straff gespannte Kletterseil zu führen. Da schwankt nichts mehr.
Für eventuelle Nachbauer hier kochrezeptartig die Beschreibung des heute bei mir in Gebrauch befindlichen und einigermaßen ausgereiften Systems wie es sich bewährt hat:
Zunächst braucht man einen herkömmlichen Bootsmannsstuhl und zwei Seilklemmen wie z.B. diese hier. Eine der Seilklemmen wird am Bootsmannsstuhl mit einem Karabiner befestigt. Des weiteren fertigt man sich ein etwa 20 mm dickes stabiles Brett etwa 40 cm * 15 cm an. In dieses Brett kommen drei ca. 12 mm Löcher. Zwei dieser Löcher kommen auf die Mittelachse ca. 4 cm von den Rändern entfernt. Das andere in die Mitte aber ca. 1 cm neben die Achse. Durch die beiden äußeren Löcher wird ein 10 mm Tau gezogen, das mit etwa einem halben Meter Abstand zum Brett stabil verspleißt wird. Das ganze bildet dann ein Dreieck dessen Hypotenuse das Brett ist. An das Ende dieses Seils kommt dann mit einem weiteren Karabiner die andere Seilklemme. Die Länge muss so sein, dass die Seilklemme etwa in Brusthöhe ist, wenn man auf dem Brett steht.
Um die Mimik zu benutzen habe ich ein extra 10 mm Seil. Dieses Seil wird am Fockfall befestigt, von oben durch das mittlere Loch in dem beschrieben Brett gezogen und an einem Auge, dass auf meinem Boot sowieso etwa 20 cm vor dem Mast an Deck angebracht ist, befestigt. Dieses Tau wird mit einer Winsch straff durchgesetzt. Das ist mein Kletterseil, als Sicherung benutze ich das Spinnakerfall.
Der Aufstieg beginnt indem ich mich auf das Brett stelle und die Seilklemme des Bootsmannsstuhls aufklinke. Die Seilklemme des Brettes zum Stehen kommt dann knapp über die des Bootsmannsstuhles. Wenn ich mich dann setze kann ich die Knie anziehen und die dann entlastete Klemme raufschieben. Dann stelle ich mich auf das Brett und schieb die Klemme des Stuhles nach oben. Setzen, stellen usw. bis man auf der gewünschten Höhe ist. Wegen des straff durchgesetzten Kletterseiles schwankt da nichts mehr. Nach unten geht es entsprechend umgekehrt. Alles in allem ist das Klettern damit kein Problem aber es dauert. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich evt. daraus, das man alles sehr gut vorbereiten muss. Ein vergessenes Werkzeug oder Ersatzteil benötigt schnell mal eine Viertelstunde extra für einen Weg nach unten und wieder hinauf. Von dort her habe ich es trotz dieser Aufstiegshilfe gern, wenn noch ein weiterer Helfer da ist, der einem assistiert und fehlende Teile in einen am Seil heruntergelassenen Beutel legen kann. Handelt es sich bei diesem Helfer nicht um meine Frau sondern um einen kräftigen Segelkameraden, bin ich selbstverständlich konservativ und lasse mich einfach hinauf winschen. Es tut aber gut zu wissen, darauf nicht wirklich angewiesen zu sein.
Nachtrag (Feb. 2011)
Einem aufmerksamen Leser (Danke Michael!) ist aufgefallen, dass das Bild zur Fußstütze nicht zur obigen aktuelleren Beschreibung passt. Damit hat er vollkommen recht. Ich habe leider kein neueres Bild, weshalb dort der vorletzte Innovationsschritt dargestellt ist. Jetzt gibt es nur noch ein Seildreieck. Demnach sind nur noch drei und nicht wie abgebildet fünf Löcher im Standbrett notwendig.